Montag, 16. September 2013

x Ein geschenkter Tag


Autor/in: Anna Gavalda
Genre: Novelle
Seitenzahl: 142 Seiten

«Eine überraschende Landpartie. Ein glücklicher, zärtlicher, geräuschvoller Tag in Gesellschaft von Brüdern und Schwestern, die ihrer Kindheit Adieu sagen. Mit Gekicher und Flüchen im Auto, einer Menge Neckereien, mit Hundeflöhen, gekühlten Flaschen Sancerre und guter Musik von Anfang bis Ende.
Anna Gavaldas neuer Roman ist ein Elixier gegen Gleichgültigkeit und falsch verstandene Pflichten und gegen vermasselte Rendez-vous.» x Klappentext

5 Gründe, «Ein geschenkter Tag» zu lesen:

x Wiedererkennen in Geschwisterbeziehungen
x kurze Lesedauer
x "leichte Kost"
x schnell ein recht genaues Bild von allen Charakteren
x einige Skurrilitäten und schön geschriebene Stellen*

5 Gründe, «Ein geschenkter Tag» nicht zu lesen:

x Anna Gavaldas Stärke liegt in der Länge - nicht der Kürze
x Geschichte kommt nur langsam ins Rollen
x recht klischéehafte, wenig tiefe Charaktere
x das eigentliche Thema "Abschied von der Kindheit" nur unzureichend behandelt
x nur einige Skurrilitäten und schön geschriebene Stellen**


Meine Meinung:

Ich bin Anna Gavalda Fan. "Alles Glück kommt nie" und "Zusammen ist man weniger alleine" sind zwei meiner Lieblingsbücher. Von "Ein geschenkter Tag" würde ich allerdings jedem abraten, der nicht gerade ohne viel Denken und ohne viel zu erwarten etwas fürs abendliche Einschlaflesen im Bett sucht.

Erleben darf man den Roman aus der Perspektive von Garance, beinahe 30 Jahre alt, exotischer Kleidungsstil, etliche Liebschaften, angehende Richterin. Dazu kommen ihre zwei Brüder: Simon und Vincent, welche recht unterschiedliche Leben führen. Während Vincent als Schlossbesitzer Touristen an der Nase herumführt, um etwas Geld zu verdienen, fristet Simon ein recht langweiliges Leben als Familienvater unter der Fuchtel seiner tyrannischen Ehefrau Carine. Schlussendlich wäre da noch die Älteste unter den Geschwistern: Lola. Bis vor Kurzem verheiratet, zwei Kinder, scheinbar perfekt - inzwischen aber geschieden und zermürbt von ihrer Situation.

Naja, beginnen tut der Roman im Auto von Simon und seiner Frau, die beiden holen Garance zur Hochzeit eines Verwandten ab. Garance und Carine tauschen eine Feindseligkeit nach der anderen aus, Simon bleibt weitestgehend stumm. Und das die ersten siebzig Seiten des Buches, was immerhin die Hälfte des Romanes ausmacht. Das Ganze wirkt wie ein überlanges Vorgeplänkel für die eigentliche Geschichte, einzige Daseinsberechtigung: die miese Stimmung im Auto veranlasst Simon schließlich dazu, seine beiden Schwestern einzupacken und mit diesen klammheimlich die Hochzeit zu verlassen, um Vincent zu besuchen.

Bei diesem angekommen muss schließlich doch noch eine Hochzeit besucht werden, allerdings die eines befreundeten Dorfbewohners. Im Vergleich zur Autofahrt, welche nur den Aspekt des Streits und der gegenseitigen Verachtung beinhaltete, wird man als Leser geradezu durch die Hochzeit gehetzt: hier ein gruseliger Kerl, da die Braut, hier die Hochzeitsspielchen, Alkohol, noch ein gruseliger Kerl, eine Zigarette, Alkohol, ein bisschen Musik, Ausgelassenheit und schnell wieder weg von dort.
Nun befindet man sich kurz vor Ende des Romanes und fragt sich: Was jetzt? Wo die Botschaft, die eigentlich mit ihren Büchern einhergeht? Dafür sind ganze zwanzig Seiten übrig. Absolut nicht viel. Absolut nicht ausreichend.
Was ich normal an Anna Gavaldas Büchern liebe, ist der innere Kampf der Charaktere, ihr Leiden, ihre Freuden, ihr ganzer Weg, bis zur Erkenntnis; ob groß oder klein ist egal, Hauptsache es gibt sie. Aber was bekommt man bei einem geschenkten Tag? Platte Charaktere, wenig besondere Augenblicke und einen Hund. Jeder, der dieses Buch gelesen hat, wird sich fragen: Wieso der Hund?

Recht häufig wird erwähnt, dass alle Geschwister recht schüchtern sind, vielleicht etwas feige, auf jeden Fall aber zurückhaltend und praktisch ohne Selbstvertrauen, wirklich erklärt wird das ganze nicht, was ich schade finde, wenn schon mit roten, riesigen, blinkenden Pfeilen auf einen Aspekt gezeigt wird, möchte ich auch erklärt haben, wieso. Obwohl er für eines meiner Lieblingszitate aus dem Buch verantwortlich ist: "Wir brauchen niemanden, der uns auf die Knie zwingt. Wir sind alt genug, um selbst den Kopf zu beugen [...]" Neben der Frage, wie lange man sich als Geschwister hat, wie viele schöne Momente man zusammen verlebt, wie viele "geschenkte Tage" einem vergönnt sind, für mich der einzige Punkt des Buches, über den ich nachdenken musste ...

Es ist schade wie sehr Anna Gavalda hier ihr Talent verschwendet hat *, ** einige Skurrilitäten und schön geschriebene Stellen in den Roman einfließen zu lassen. Normal schmelze ich dahin, wenn sie mit Bildern wie "den Fältchen in ihrer Seele" daherkommt, doch das kommt mir hier zu kurz. Details, die sonst ihre Bücher ausmachen, werden hier in schnellen Auflistungen abgearbeitet und das größte Defizit sind - wie bereits gesagt - die laaangweiligen Charaktere, ohne Wandlung, ohne zwar vielleicht alltägliche, aber schwere Probleme. Ich bleibe bei diesem Buch ohne Mitgefühl und Verständnis und das ist schade. Ich bin enttäuscht.

X/5